Trainingsaufenthalt in Naha (Okinawa, Japan)
Am 26. Oktober war es mal wieder so weit. Es sollte, wie fast immer in der letzten zehn Jahren, zu einem Privattraining zu meinem Lehrer, Oshiro Toshiro Shihan, gehen. Privattraining bedeutet bei mir immer – weit fliegen. Bislang immer nach San Mateo in Kalifornien oder jetzt eben mal so nach Okinawa. 14h Flugzeit. Für fünf Tage Training. Wie bekloppt kann man eigentlich sein – denken vermutlich einige Leute, die mich kennen. Wer mich gut kennt, weiß, wie wichtig die Kampfkünste für mich sind. Sie begleiten mich seit nunmehr 26 Jahren und sind die alte Konstante in meinem Leben, der rote Faden. Neben den neuen Konstanten und Fäden, die mein Leben ebenfalls lenken, wie meine Familie, meine neue Heimat.
Die Faszination für Karate ist geblieben. Nein, eigentlich ist sie gewachsen. Oshiro Shihan hat daran einen großen Anteil, aber auch mein Lehrer Roberto Romero Sensei. Sie haben das Feuer in mir richtig zum glühen gebracht. Sie haben dafür gesorgt, dass ich unbedingt mehr verstehen will, die Techniken, meinen Körper, die Prinzipien des Shima ha Shorin ryu. Und dazu braucht es detaillierter Anleitung. Richtig verstehen kann das nur, wer selbst mal so verrückt auf die Kampfkünste war. Es geht um kleinste Details – der Körperhaltung, der Muskelarbeit. Das kann man nicht in großen Gruppen lernen. Das geht nur im privaten Training mit sehr wenigen Schülern. Eine Atmosphäre, bei der Ishin Denshin 以心伝心 schlicht passiert…
Und mit Herz hat Shihan auch dieses Mal wieder unterrichtet. Das Training war täglich (verglichen mit den Aufenthalten in San Mateo) kurz, aber intensiv. 2 1/2 bis 3 Stunden dauerten die Einheiten. Intensiv, schweißtreibend und fordernd. Shihans Schaumstoff“knüppel“ verlangte schnelle Bewegungen. Und die Umsetzung von Prinzipien. Und Aufmerksamkeit. Nichts darf verpasst werden, keine Lektion verloren gehen. Wie das vorsichtige Tragen einer randvollen Schale. Zu wertvoll um etwas zu verschütten. So wie die Hinweise Shihans. Jede verpasste Lektion ist eine verpasste Chance. Die – vielleicht – nicht wieder kommt. Das macht das Privattraining so besonders.
Und sonst? Gute Frage. Geblieben sind die Eindrücke des intensiven Trainings. Und die Erkenntnis, dass man Teil einer Familie ist. Mein Freund Rico, derzeit wohnhaft in Tokyo, kam mal eben kurz nach Okinawa und trainierte drei Tage mit uns. Es ist, also ob man nie tausende Kilometer getrennt war, sondern ständig gemeinsam trainiert, Zeit verbringt. Oder die Abende mit Kenji oder Shimoji san. Nationalitäten werden völlig egal, wenn man eine gemeinsame Passion hat. Sofort gibt es Themen, über die man redet und Dinge, die man von anderen lernen kann. Weil sie eine andere Perspektive haben.
Und sonst? Ach ja, da war noch eine Prüfung. Was soll man dazu sagen. Man wird bescheiden. Es ist nicht mehr so wichtig wie früher und erhöht eher den Druck, den man auf sich selbst ausübt: Ist man gut genug? Hat man es verdient?
Die Antworten darauf sind klar: ganbatte 頑張って oder vielleicht Damate keiko 黙って稽古!