Die Flasche hat nicht trainiert!

Am 16. September hatten wir wieder einmal Roberto Romero (5.Dan Shima-ha Shorin ryu Karate) bei uns zu Gast. Wie immer lehrte er die Details der Körperarbeit des Shima-ha Shorin ryu Karate und zeigte, wie man Entspannung, Streckung, Körperarbeit einsetzt, um schnelle und harte Techniken zu machen, die eben nicht aus dem Arm kommen. Die Ideen sind nichts neues und wurden hunderte Male von Roberto Sensei oder Oshiro Shihan mahnend erläutert. Die Umsetzung mit dem eigenen Körper ist dann doch eine andere Sache, hat man doch andere Bewegungsabläufe einstudiert und in Kopf und Körper eingebrannt. Diese müssen nun mit neuen Abläufen „überschrieben“ werden.

Interessant ist jedoch, dass dieser Körpereinsatz nichts einzigartiges ist, sondern auch im okinawanischen Karate weit verbreitet ist. Sehr erfahrene Meister des Karate bewegen und „wirken“ so, egal von welchem Stil. Es sind diejenigen, die erkannt haben, dass die Arbeit mit Armmuskeln und (Ver)Spannung, was oft als „Kime“ bezeichnet wird, eben nicht zum Ziel führen, insbesondere wenn man älter oder von schmalerer Statur ist. In einem solchen Fall ist es zwingend so, dass historische Meister wie Kyan Chotoku nach anderen Wegen suchen mussten. Meine Teilnahme beim Seminar mit Taira Masaji (siehe Bericht hier) hat dies bestätigt: „Stile“ sind nur oberflächlich betrachtet unterschiedlich – im Endergebnis arbeiten sie mit denselben Prinzipien, nur der Weg/die Methodik ist anders. Am Ende muss man sich den Meister und dessen Körperarbeit anschauen und nicht fragen, welcher Richtung er angehört.

Auch in den alten japanischen Kampfkünsten (Koryu) findet man bei fähigen Meistern dieselben Prinzipien wieder. Stellvertretend seien hier Kono Yoshinori oder Kuroda Tetsuzan erwähnt. Bei denen sehe ich exakt dieselben Bewegungsmuster wie bei Roberto Sensei oder Oshiro Shihan. Leider fehlt mir da noch einiges an deren Fertigkeiten 😉

Apropos: Roberto Sensei erzählte eine Geschichte, die er mit Watanabe Sensei, einem Schüler von Shirai Sensei vor vielen Jahren erlebt hatte: Watanabe nahm eine ganz normale, gefüllte Wasserflasche aus Plastik und ließ sie quer gehalten auf den Boden fallen. Die Wirkung war natürlich begrenzt, man hätte ohne großen Schaden zu nehmen seinen nackten Fuß darunter lassen können. Dann nahm er dieselbe Flasche und drehte sie mit dem Deckel nach unten. Das Ergebnis kann sich jeder vorstellen. Dieselbe Flasche – in der Wirkung aber ein gravierender Unterschied. Watanabes Kommentar: Und die Flasche hat nicht trainiert… Die Moral aus der Geschichte kann sich jeder selbst denken.

In diesem Sinne: Ganbatte!

P.S.: Danke an Sensei Alex (Oshiro Dojo Mannheim), Christophe (Hamburg) und Franz (Essen) für den Besuch!

Thomas